Man muss nicht lange fahren, bis man von Trento, der malerischen Hauptstadt der autonomen Region Trentino, den Pian delle Fugazze, die Grenze zum Veneto erreicht.Dort verlief vor knapp 90 Jahren die heiß umkämpfte Grenze zwischen den Italienern und dem Reich der Donaumonarchie.
Vom Colle Xomo (1058 m), den man von dort auf kurvigen Wegen in wenigen Minuten mit dem Auto erreichen kann, steigt der Weg Nr. 366 bis zum Colle Campiglia (1216 m), wo der "Weg der 50 Tunnels" beginnt.
Wir befinden uns hier mitten auf dem Sentiero della Pace, dem Friedenspfad, der in den vergangenen Jahren entlang der alten Frontlinien angelegt wurde. Der erstaunliche Weg wurde 1917 von den Mineur-Zenturien, den Tunnelbauern des Königlich Italienischen Heeres, in den Fels getrieben. Aufregend und anstrengend ist der Aufstieg. Einige der Tunnel schrauben sich wie eine Wendeltreppe über hunderte von Metern in den Fels, um auf möglichst wenig Raum viel Steigung zu erzielen. Dabei ist die Höhe der Tunnel nicht immer auf den heutigen Wanderer ausgelegt. Mit einer lichtstarken Taschenlampe verhindert man Ausrutscher auf dem unebenen und teils glitschigen Felsboden und - wenn man größer als 180 cm ist - das Anstossen des Kopfes an der Decke.
Vom Passo Coe schwindelt sich der Sentiero della Pace am steilen Westhang 250 Höhenmeter bergauf zum Monte Maggio, einer der besten Trails der gesamten Tour. Dieser seltsame Pfad, markiert mit einer weißen flatternden Taube, will durch die Erinnerung an den Krieg zum Frieden mahnen. Auf seiner breiten Trasse, mit Brücken, Tunnels und Stützmauern versehen, an Kavernen vorbei, kommt man mit dem Bergrad recht gut vorwärts. Nur gelegentlich zwingen uns verblockte Geländeabschnitte oder bodenloser Schotter aus dem Sattel, wie bei der sehr schweren Abfahrt vom Monte Maggio zum Passo della Borcola. Mountainbiker, die ihr Gefährt nicht hundertprozentig beherrschen, empfehle ich hier, von oben bis unten zu schieben. Das Wrack eines uralten Lastwagens mitten im Wald unterstreicht dieses Gebot. Keiner weiß, wie er da rauf gekommen ist. Am Ende der Abfahrt im Val Posina zeigt mein Altimeter eine Höhe von 633 Meter an. Das Rifugio Generale Achille Papa an der Porte del Pasubio liegt auf 1934 Meter. Vier Pisten treffen dort zusammen. Jeder kennt die Strada delle Gallerie, ein Trail am Abgrund durch 52 stockdunkle Felsenröhren über 700 Höhenmeter im Sturzflug hinab zur Bocchetta Campiglia. Seit Jahren ist dieser spektakuläre Versorgungsweg der Alpini wegen Konflikten mit den Wanderern und mehreren Todesfällen für die Mountainbiker gesperrt. Zu Recht, wie ich meine. Glaubt mir, da fährt heute auf dem Rad keiner mehr alles. Ohne Lampe ist das zu Fuß schon ein Abenteuer. Die Strada degli Scarubbi wählen wir für die Bergfahrt, ihre Trasse schraubt sich vom Colle Xomo an der Ostflanke des Pasubio hinauf. Kehre um Kehre knirschen die Reifen über losen Schotter, suchen die Augen nach der besten Spur. Nach dem Campiglia-Tunnel biegt die Piste um den Fornigrat, öffnet sich die Sicht auf die Pasubio-Hochfläche. Schier endlos zieht sich die Strada degli Scarubbi zur Porte hinauf. Mit gut 1000 Höhenmeter in den Beinen sind bei diesem Anblick schon viele schwach geworden. Wenige folgen ab der Rifugio Generale Achille Papa dem Friedenspfad über den karstigen Pasubio-Rücken zur Lanciahütte. Sein Zeichen der weißen Taube auf in den Boden gerammten Holzpflöcken weist den Weg, am Anfang steil und beschwerlich mit Schiebestücken zum Palon, später als Traumtrail für fahrtechnisch versierte Biker. Vom Rifugio Vincenzo Lancia al Pasubio unter dem Col Santo kann man in knapp drei Stunden am Gardasee sein. Auf der Hütten-Zufahrtsstraße geht es hinab nach Giazzera und durch die Vallarsa nach Rovereto, weiter auf dem neuen Radweg über den Passo San Giovanni nach Torbole.
In der ehemaligen Südtiroler Grenze im italienischen Teil südöstlich von Rovereto liegt das Pasubio-Massiv. Der gesamte Gebirgsstock ist von alten Militärstraßen durchzogen. Diese anspruchsvolle Mountainbike-Tour führt auf solchen Straßen in eines der größten Gebirgsschlachtfelder des Ersten Weltkrieges. Sie ist nicht nur historisch und landschaftlich beeindruckend, auch fahrtechnisch wird einiges abverlangt. Die Straßen sollten ab Juni schneefrei sein.
Pasubio - der Schicksalsberg der Kaiserjäger und Alpini. Auf einem winzigen Fleckchen Erde standen einander die beiden Kriegsparteien gegenüber. "Dente Austriaco" und "Dente Italiano", beide in über 2000 Metern Höhe gelegen, waren ab 1916 Schauplätze eines erbitterten Gebirgskrieges.
Der Monte Pasubio und seine Nachbarberge waren im Ersten Weltkrieg eines der fürchterlichsten Kriegsschauplätze in der Dolomitenfront.
Der Monte Pasubio besitzt zwei plateauartige Gipfel, auf dem Einen hielten die österreichischen Kaiserjäger, auf dem Anderen die Alpini ihre Stellungen bis zum Kriegsende ohne nennenswerte Geländegewinne.(Wie in der gesamten Dolomitenfront)
Die Wege und Steige um die Passhöhe "Pian delle Fugazze" sind fast ausschließlich Kriegssteige, auf denen man ständig auf die Überreste dieser schrecklichen Zeit stößt...manchmal meint man in den Pasubionebeln diesen unglücklichen Seelen zu begegnen... Ich möchte jetzt aber darauf nicht weiter eingehen und lasse die Beteiligten durch ihrer Zitate selber sprechen...